Andreas Thilo, Sandalenmacher und Architekt

Es ist ein Freund, der in den 1970er Jahren zu Andreas Thilo sagt: Komm doch einmal mit nach Freiburg. Es ist die Zeit kurz nach der Energiekrise, der Architekt Thilo, vorher in München in großen Projekten wie Olympia-Bauten oder Schulzentren beteiligt, hat gerade keine Beschäftigung. Er kommt.


Freunde hatten damit angefangen, auf einem Bauernhof in der Nähe Sandalen zu machen. Weiter geht es im Weißen Laden in Freiburg, Thilo baut ihn mit auf. Dort werden Sandalen und Taschen gemacht, noch in kleinem Rahmen. Es sind sehr einfache Modelle, sie heißen Mexico und Sahara.


Thilo versucht sich an den Sandalen,
findet seinen Rhythmus, wird immer besser. Und ist einer, der die Entwicklung der Sandalen mit vorantreibt. Vielleicht hilft die systematische Herangehensweise des Architekten, der in der neuen Heimat bald auch kleinere und größere Bauvorhaben betreut.


Nach einer Weile entscheidet er sich, eine eigene Werkstatt auf die Beine zu stellen. Es ist 1980, er zieht in die Kirchstraße um, arbeitet mit eigenen Werkzeugen .Thilo ist nicht allein, die Mitarbeiter wechseln, Männern und Frauen, manche sind intensiver dabei, andere nur kurz.


Anfang der 1980er Jahre
übernehmen die Freiburger Sandalenmacher die Werkstatt einer Maßschuhmacherin in Berlin, auch Andreas Thilo arbeitet dort parallel. Und trifft dort einen von vielen Ratgebern, von denen er über die Jahre lernt, einen israelischen Schuhmacher, mit dem er erste einfache Schuhe macht.


Die Sandalen werden handwerklich immer ausgereifter. Ursprünglich ganz schlichte Modelle bekommen ein Fußbett, das immer weiter optimiert wird, es gibt nur noch Maßanfertigung, die Kleinserien werden aufgegeben.

Die Aufträge kommen regelmäßig. Nur nicht im Winter. Sandalenmachen ist ein Saisongeschäft. Thilo beginnt, in Waldorfschulen Sandalenbaukurse für Kinder zu leiten. Bis zu sechs Schulen sind es. Thilo wird mehr als zwanzig Jahre unterrichten.

Inzwischen ist Heinrich Assies mit dabei. Gemeinsam entwickeln sie neue Sandalenmodelle, auch ein paar Schuhe gibt es. Und 1991 eine neue Werkstatt in der Talstraße, einfach, aber mit mehr Platz. Hier ist die Sandalenwerkstatt Freiburg noch heute.


Es sind die 2020er Jahre. Thilo hat, gemeinsam mit Heinrich Assies, ein überschaubares, aber feines Sandalensortiment geschaffen. Die Sandalen sind so gut, wie ein scheinbar einfaches Produkt nur sein kann. Thilo ist immer noch dabei. Und möchte immer noch etwas besser machen.

Heinrich Assies, Sandalenmacher. Doch nicht Büromaschinenmechaniker

Wie wird man zum Sandalenmacher in Freiburg, wenn man mit sechs Geschwistern auf einem Bauernhof im Emsland aufwächst und dann eine Lehre als Büromaschinenmechaniker macht? Heinrich Assies geht Mitte der 1970er Jahre nach der Lehre wieder zur Schule und hat auch Zeit, sich etwas umzusehen.

Zum Beispiel in Freiburg. Dort stößt er zufällig auf den Weißen Laden mit den Sandalen im Schaufenster. Die sehen wesentlich besser aus als seine orthopädischen Schuhe. „Die muss ich haben“, sagt er sich, geht in den Laden und trifft Andreas Thilo. Die maßgefertigten Sandalen gehen später per Post an ihren neuen Besitzer.

„Ich habe sie am Anfang nur sonntags angezogen. Aber dann habe ich gesehen, dass die Sandalen schon sehr robust waren.

Assies besucht in den nächsten Jahren einige Male den Weißen Laden und Andreas Thilo. Bringt Freunde mit, denen er den Laden unbedingt zeigen möchte. Steht einmal vor geschlossener Tür, Thilo ist mit Werkzeug und Maschinen umgezogen. Fragt die Nachbarn, läuft zur neuen Adresse.

Es folgen Abitur, anthroposophisches Jugendseminar zur Berufsfindung in Stuttgart, dann ein einjähriges Intermezzo an der Kunstschule in Freiburg-Munzingen, Schwerpunkt Bildhauerei. Die Schule ist dann doch nicht so interessant. Aber immerhin: Assies ist in Freiburg angekommen.

Er schreibt sich an der Universität ein, entscheidet sich aber dann doch ganz anders – für die Sandalen. Er lernt von Andreas Thilo und anderen, und er ist geschickt. Auch im Unterrichten: Ab und zu leitet er Sandalenmacher-Kurse in Schulen, bis heute regelmäßig in der Freiburger Waldorfschule St. Georgen.

Aus ihm wird ein meisterhafter Sandalenmacher. Ganz ohne Lehre und Meistertitel. Er vertieft sich in die Arbeit mit dem Leder, schneidet, färbt, formt, klebt, näht, entwickelt die Kollektion mit. Und wie es mit Handwerkern so ist: Was er kann, sieht man seinen Händen an.

Und weil natürlich längst Leidenschaft für die Arbeit im Spiel ist, gibt es auch keine Altersgrenze. Heinrich Assies ist Sandalenmacher. Und möchte es auch bleiben.

Norihiko Tsukinowa, Orthopädie-Schuhmacher und Sandalenmacher

Wie viel kann man weglassen, was ist unverzichtbar, um eine Sache richtig gut zu machen?“ Für Norihiko Tsukinowa, studierter Volkswirt mit Abschluss der Universität Kyoto, in seiner japanischen Heimat ausgebildet auf der Hochschule für Orthopädieschuhmacher in Kobe, im westfälischen Münster durch die duale Ausbildung für Orthopädieschuhmacher gegangen, sind das zentrale Fragen.

 

2016 beginnt er mit der Arbeit als angestellter Orthopädieschuhmacher nahe der Schweizer Grenze, berät seine Kunden, fertigt Schuheinlagen an. Und schaut sich intensiv um. Besucht Gerbereien. Ist regelmäßiger Gast beim Maßschuhmachertreffen.


Er tauscht sich mit Maßschuhmachern und -schuhmacherinnen aus, über ganz Deutschland verstreut. Versucht sich an weiteren Sattler- und Lederarbeiten wie Taschen und Gürteln. Und überlegt, wie es wäre, selbstständig zu arbeiten, vielleicht mit einem eigenen Laden.


Norihiko Tsukinowa besucht die Sandalenwerkstatt, 2019. Gehört hatte er schon ein paar Jahre früher von der Werkstatt. Jetzt lernt er Andreas Thilo und Heinrich Assies kennen. Und natürlich die Sandalen, die er sich jetzt sehr genau anschaut.

 

Bei diesen Sandalen kann man nichts mehr weglassen, Thilo und Assies haben wechselnde modische Details nie interessiert. Sie haben auch nie an der Qualität von Material gespart, um vielleicht mit einem geringeren Preis ein paar mehr Kunden anzulocken.

 

Genau das fasziniert den Mann aus Japan. Ein einfaches Konzept. Sehr gutes Material. Ein wirklich gutes Produkt. Man könnte sogar Parallelen zu einer japanischen Ästhetik der Schlichtheit sehen. Muss man aber nicht: Die Sandalen treffen einfach den Geschmack von Tsukinowa. Mit dem gewünschten Praktikum in der Sandalenwerkstatt klappt es aber erst einmal nicht. Corona. Trotzdem, man kommt sich näher. Die Fähigkeiten von Norihiko Tsukinowa passen zur Sandalenwerkstatt, die Anerkennung ist gegenseitig.

 

2021. Norihiko Tsukinowa arbeitet in der Sandalenwerkstatt. Er wird sie mit Andreas Thilo und Heinrich Assies weiter führen. Und genau wie diese beiden Sandalen, Schuhe und bald auch andere Lederarbeiten anbieten, die sich auf lange Traditionen beziehen, aber doch ganz eigenständig sind.

Clara

Ich heiße Clara und studiere in Freiburg den Master Medien- und Kulturwissenschaft. Neben meinem Studium bin ich für den Online-Auftritt der Sandalenwerkstatt zuständig. Ich erstelle Beiträge für Social-Media Plattformen, verfasse Blogartikel für unsere Homepage und schreibe Medien an. Es macht mir Spaß, die traditionelle Handwerkskunst aus neuen Perspektiven darzustellen.

Merle

Ich bin Merle und studiere Kunst in Freiburg. Ich helfe den Handwerkern bei ihren täglichen Aufgaben wie dem Färben des Leders sowie der Vorbereitung weiterer Materialien. Mir gefällt die Arbeit in der Sandalenwerkstatt, da ich hier selbstständig sein und mich handwerklich betätigen kann.

Juthamat

Juthamat, Soziologiestudentin im Master “Ich finde es spannend sowohl die Prozesse im Hintergrund bei der Büroarbeit zu erleben, sowie auch mal in die Arbeitsschritte des Sandalenbaus zu schnuppern.”

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